Ringen, Waffenruhe

Bei den indirekten Verhandlungen in Kairo scheinen die Fronten weiter verhärtet.

05.05.2024 - 04:13:03

Ringen um Waffenruhe in Gaza geht weiter. Angeblich plant die Hamas bald einen Gegenvorschlag für ein Abkommen vorzulegen. Die Ereignisse im Überblick.

Bei den indirekten Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas zeichnet sich bislang kein Durchbruch ab. Israel werde unter keinerlei Umständen einer Vereinbarung zustimmen, die eine israelische Verpflichtung zur Beendigung des Krieges beinhaltet, zitierte die Zeitung «Times of Israel» am späten Samstagabend einen über die in Ägypten laufenden Gespräche informierten Beamten. Arabische Medienberichte, die darauf hindeuteten, dass Israel den Vermittlern Garantien für ein Ende des Krieges geben werde, seien falsch. Die Hamas verlange weiterhin, dass Israel der Beendigung des Krieges als Bedingung für ein Abkommen zustimmt, «und vereitelt damit die Möglichkeit, ein Abkommen zu erreichen», so der Beamte.

Die Hoffnungen auf eine Einigung auf eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln waren am Samstag gestiegen, als eine Delegation der politischen Führung der Hamas aus dem Golfemirat Katar kommend in Kairo eintraf, um die indirekten Gespräche fortzusetzen. Man reise mit einer «positiven Einstellung» an, um eine Einigung zu erzielen, hatte es aus Hamas-Kreisen geheißen. Israel schickt dagegen vorerst kein Team in die ägyptische Hauptstadt. Israel werde erst eine Delegation entsenden, wenn die Hamas auf einen Vorschlag für ein Abkommen geantwortet habe, berichtete der israelische Kan-Sender am Samstag unter Berufung auf einen Regierungsvertreter. Ein Regierungssprecher wollte das auf Anfrage nicht kommentieren. Sollte die Hamas dem Entwurf zustimmen, werde Israel eine Delegation schicken, zitierte die israelische Zeitung «Haaretz» einen ranghohen israelischen Beamten.

Blinken: Schwer zu verstehen, was die Hamas denkt

Die USA baten derweil Katar, die politische Führung der Hamas des Landes zu verweisen, sollte die Islamistenorganisation in Kairo einem Abkommen nicht zustimmen, zitierte das «Wall Street Journal» am Samstagabend einen nicht genannten Beamten. Das Golfemirat sei bereit, dem nachzukommen, wenn es darum gebeten werde, hieß es. Die eigentlichen Entscheidungsträger der Hamas seien allerdings «die Leute, die sich im Gazastreifen selbst befinden und mit denen keiner von uns direkten Kontakt hat», hatte zuvor US-Außenminister Antony Blinken gesagt. «Es ist also eine Herausforderung zu verstehen, was sie denken.» Es gebe verschiedene Theorien dazu, was die Entscheidungen der Hamas momentan antreibe.

Bericht: Hamas plant angeblich bald Gegenvorschlag vorzulegen 

Der militärische Anführer der Hamas im Gazastreifen, Jihia al-Sinwar, soll sich dem «Wall Street Journal» zufolge am Freitag erstmals über Hamas-Vertreter zum jüngsten Vorschlag der Vermittler für ein Abkommen geäußert haben. Demnach komme dieser Vorschlag den Forderungen seiner Terrororganisation bisher am nächsten, Sinwar habe aber eine Reihe von Vorbehalten geltend gemacht, hieß es unter Berufung auf die arabischen Vermittler. Sinwar wird in Tunneln der Hamas unterhalb des abgeriegelten Küstengebiets vermutet. Es werde erwartet, dass die Hamas bald einen Gegenvorschlag vorlegen werde, hieß es. Die Hamas wolle internationale Garantien, dass Israel Verhandlungen über einen Weg zu einem dauerhaften Schweigen der Waffen aufnimmt, zitierte die Zeitung die Vermittler weiter. 

Ägyptische Quellen hatten dem «Wall Street Journal» gesagt, dass Israel der Hamas noch eine Woche Zeit gegeben habe, einem Abkommen über eine Waffenruhe zuzustimmen. Anderenfalls werde Israel zur angekündigten Bodenoffensive auf die Stadt Rafah im Süden Gazas übergehen. Gegenstand der indirekten Verhandlungen, bei denen Ägypten, Katar und die USA vermitteln, ist ein Vorschlag, der die Freilassung von Geiseln aus der Gewalt der Hamas sowie die Einstellung der Kampfhandlungen im Gazastreifen seitens Israels in mehreren Phasen vorsieht. Die Hamas forderte bis zuletzt einen umfassenden Waffenstillstand, einschließlich eines vollständigen Abzugs der israelischen Armee aus Gaza. Israel, das die komplette Zerschlagung der Hamas zum Ziel erklärt hat, lehnt dies bisher ab.

Hamas greift Grenzübergang Kerem Schalom mit Raketen an

Der militärische Arm der palästinensischen Terrororganisation Hamas hat am Sonntag Raketenangriffe auf den israelischen Grenzübergang Kerem Schalom für sich reklamiert. Ziel seien israelische Truppen gewesen, hieß es in der Mitteilung der Kassam-Brigaden. Der Übergang dient zur Einfuhr humanitärer Hilfsgüter in den Gazastreifen, in dem nach Angaben internationaler Hilfsorganisationen Hunger unter der Bevölkerung herrscht. 

Bericht: Extremisten sollen hohe Summen geraubt haben

Bewaffnete Palästinenser sollen laut einem Medienbericht im vergangenen Monat bei einer Serie von Überfällen auf die Bank of Palestine im Gazastreifen sehr hohe Summen gestohlen haben. Insgesamt habe die Bank Verluste von umgerechnet mehr als 66 Millionen Euro, schrieb die französische Zeitung «Le Monde» am Samstag. Das Blatt bezog sich dabei auf ein Bankdokument vom 20. April, das das Geldinstitut an internationale Partner übermittelt habe. 

Das Bargeld - in israelischen Schekeln - sei aus Tresorräumen verschiedener Zweigstellen in dem Küstenstreifen entwendet worden, teilweise unter Einsatz von Sprengstoff. Es werde davon ausgegangen, dass militante Palästinenser mit Verbindungen zur Terrororganisation Hamas, die bis zum Gaza-Krieg uneingeschränkt in dem Gebiet herrschte, mindestens einen der Überfälle verübt haben. 

Tausende demonstrieren in Israel für Geisel-Freilassung 

Mehrere tausend Menschen demonstrierten derweil am Samstagabend in der israelischen Stadt Tel Aviv für eine Verhandlungslösung zur Freilassung der im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln. Dabei gab es auch laute Kritik am israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu und Forderungen nach Neuwahlen. «Netanjahu versucht einmal mehr, die einzige Chance zu torpedieren, die wir haben, um die Geiseln zu retten», hieß es in einer Stellungnahme der Angehörigen der Geiseln. Eine israelische Militäroffensive in Rafah wäre das «Todesurteil» für die Geiseln, betonte der Bruder eines in Gaza festgehaltenen Mannes. Oppositionsführer Jair Lapid forderte, die Regierung sollte noch in der Nacht Unterhändler nach Kairo entsenden «und ihnen sagen, nicht ohne einen Deal zurückzukehren».

Israelisches Militär meldet Tötung von Islamisten-Kommandeur 

Israels Militär hat unterdessen nach eigenen Angaben einen Kommandeur der Terrororganisation Islamischer Dschihad bei einem Luftangriff im Süden Gazas getötet. Der Mann habe zahlreiche Angriffe gegen Israel in den vergangenen Jahren geleitet, erklärte die Armee am Samstagabend. Er sei auch verantwortlich gewesen für den Angriff auf einen Kibbuz und einen Militärposten am 7. Oktober. Terroristen der Hamas und anderer Gruppen hatten an dem Tag bei Angriffen auf Kibbuzim, Armeeposten und ein Musikfestival ein Massaker verübt und mehr als 1200 Menschen getötet. Es war der Auslöser des Krieges. 

Bei einem Anti-Terror-Einsatz israelischer Sicherheitskräfte im Westjordanland wurden derweil vier Palästinenser getötet und ein Polizeibeamter verletzt. Ein Terrorverdächtiger sei festgenommen worden, hieß es am späten Samstagabend - nachdem zunächst von fünf Toten die Rede gewesen war. Soldaten und Polizisten umringten den Angaben zufolge nördlich der Stadt Turkam ein Haus, in dem sich mutmaßliche Mitglieder einer Terrorzelle aufhielten. Nach Schüssen aus dem Gebäude hätten die Sicherheitskräfte das Feuer erwidert. Das Haus sei auch von einer israelischen Drohne aus angegriffen worden. In dem Gebäude seien militärisches Gerät und Waffenteile sichergestellt worden, hieß es weiter.

@ dpa.de